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Astronomisches Prag

Die Zeit in der Metropole vergeht seltsam. Plastisch, verlangsamt oder beschleunigt, als ob hier etwas von Einsteins Postulaten geblieben wäre. Eigentlich ist das auch gar nicht so unmöglich. Prag ist schließlich von mit Physik sowie Astronomie verbundenen Orten durchdrungen.

Dass Prag mystisch ist, darin steckt mehr Wahrheit, als es die Werbebroschüren beschreiben können. In seinen alten Häusern wurden die Sternkonstellationen mit Zirkeln aufgezeichnet, Wünschelruten bestimmten die Minuten der Verfestigung von Elixieren, das schwer fassbare Thema Zeit versuchten hier Philosophen, Astrologen und geschickte Uhrmacher zu bezwingen. Dies musste ja einen starken Eindruck im Esprit der Stadt hinterlassen. Tatsache ist, dass in der Hauptstadt gleich mehrere glaubwürdige Astronomen und Physiker, inklusive Albert Einstein, den die moderne Wissenschaft bis heute zitiert, tätig waren. Tycho Brahe war als Hofastrologe Rudolfs II. tätig, sein Assistent Johannes Kepler formulierte in Prag die Gesetze über die Bewegung der Planeten um die Sonne, der erwähnte Albert Einstein lebte eineinviertel Jahre in Prag und sein Aufenthalt hier brachte der Welt elf wissenschaftliche Arbeiten. Die Metropole ist außerdem stolz auf ihre absolut einzigartige Aposteluhr aus dem 15. Jahrhundert, die die Zeit auf mehrere Arten misst und aus deren scharfsinnig konstruierten Geräten Sie unter anderem den aktuellen Stand der Planeten auf der nördlichen sowie der südlichen Halbkugel ablesen können. Und das ist bei weitem nicht alles…

Mittagessen nach dem Meridian

Egal, aus welchem Grund Sie nach Prag reisen, letztendlich führen die Prager Gassen Sie ohnehin zum Altstädter Ring. Bei schönem Wetter fällt Ihnen hier vielleicht der vom Prager Meridian, eine in die Pflastersteine an den Koordinaten 14°25‘17“ östlich vom nullten – dem Greenwicher Längengrad eingesetzte Messingschiene, reflektierte Sonnenstrahl auf. Die Prager haben ihn sich auf ihrem Hauptplatz im Jahre 1652 nicht nur aus Spaß eingezeichnet, sondern, damit er ihnen verlässlich anzeigt, dass die Sonne am Zenit ist, also dass es Mittagszeit ist. Es reichte, zu beobachten, wann sich der Meridian mit dem Schatten der heute nicht mehr existierenden Mariensäule deckt. Wie hochentwickelte Zeitmesser im Prager Klementinum zeigten, sind der Schatten und der Meridian perfekt in zeitlichem Einklang. Auch wenn sich heutzutage niemand mehr die Uhr nach dem Prager Meridian stellt, wurde er als Beweis seiner Zuträglichkeit in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts mit der lateinischen Inschrift Meridianus quo olim tempus pragense dirigebatur (der Meridian, nach dem in der Vergangenheit die Prager Zeit gestellt wurde) versehen. Über das zweite technisch-astronomische Denkmal am Altstädter Ring, der einzigartigen Prager Aposteluhr, wurde eine Unmenge an Artikeln und Studien geschrieben, deshalb erwähnen wir sie an diesem Ort und verweisen neugierige Leser auf die eigenständige thematische Seite HIER.

                                  

Geheimnis in den Sternen

Prag hatte seine Aposteluhr bereits etwa 150 Jahre als Kaiser Rudolf II. den Gelehrten Tycho Brahe nach Prag berief. Der dänische Astronom arbeitete am Habsburgerhof nur zwei Jahre, aber formulierte umso schneller Grundgesetze der Himmelsmechanik, die allerdings nicht ohne Fehler blieben. Auf Basis der Beobachtung von Sternen schloss er, dass die Planeten um die Sonne rotieren, aber fälschlicherweise war er überzeugt, dass sie auch um die Erde rotieren. Die geozentrische Beschreibung der Himmelsmechanik widerlegten erst die Gesetze von Brahes Schüler – Johannes Kepler. Ein Rätsel bleibt aber die Todesursache des dänischen Wissenschaftlers (im Jahre 1601). Es war die Rede von Arbeitsanspannung und einer Nierenerkrankung, aber auch einer Vergiftung mit Quecksilber, das er bei alchemistischen Experimenten verwendete. Wenn man denen glaubt, die mit der Geschichte gerne jonglieren, starb der Astronom an den Folgen einer geplatzten Harnblase, weil er während eines Festmahls mit dem Kaiser nicht auf die Toilette gehen konnte. Die vor kurzem durchgeführte Exhumierung und anschließende Analyse von Brahes Überresten schloss eine Quecksilbervergiftung aus, bestätigte aber eine erhöhte Konzentration von Gold in seinen Haaren, in seinem Bart und seinen Augenbrauen. Daraus ergibt sich, dass Gold eine außergewöhnliche Rolle im Leben des Astronomen gespielt haben muss, ihn aber bestimmt nicht tötete. „Gold war in allen höheren Schichten der europäischen Gesellschaft der Renaissance allgegenwärtig. Es war Teil der Kleidung, des Schmucks und Bestecks, es kam sogar im Essen vor. Goldplättchen wurden auch absichtlich in Wein gegeben, weil man daran glaubte, dass das Edelmetall das ‚göttliche Prinzip‘ auf den Menschen überträgt“, erklärten die Autoren der Studie. Die genaue Todesursache des berühmten Wissenschaftlers bleibt so auch weiter ein Geheimnis.

                             

Brahe – Pohořelec, wie passt das zusammen?

Ob der berühmte Wissenschaftler nun den strengen Regeln der Palastetiquette erlag, den Risikofaktoren der Forschung, oder eines natürlichen Todes aus der Welt schied, sein Name ist unauslöschlich mit dem Prag der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert verbunden. Der Körper Tycho Brahes wurde in der Kirche der Jungfrau Maria vor dem Teyn bei der ersten Zwischenschiffssäule rechts beigesetzt und es ist sehr schade, dass der Grabstein immer noch eine touristisch unterschätze Perle ist. Kaum jemand weiß, dass im Jahre 2005 im Garten des Johannes Kepler Gymnasiums in Pohořelec die Grundsteine des Wohnhauses entdeckt und dokumentiert wurden, in dem Brahe gegen Ende seines Lebens (dann auch mit Kepler) nachweislich lebte, seinen astronomischen Beobachtungen nachging und schließlich auch starb. Das mittlerweile niedrige, verfallene Mauerwerk, heutzutage im Areal der Schule sichtbar, erinnert ansatzweise an die Existenz und Lage des Wohnorts des Astronomen. Auf das Gedenken der berühmten Gelehrten Tycho Brahe und Johannes Kepler macht auch eine Gedenktafel beim Eingang in die Institution aufmerksam, die hier im Jahre 1946 enthüllt wurde. Unübersehbar ist dann die Statuengruppe der beiden Wissenschaftler vom akademischen Bildhauer Josef Vajec, die 1984 beim Gymnasium errichtet wurde. Die Erforschung des Sonnensystems endete jedoch nicht mit dem Tod des bekannten Dänen. Wie bereits oben erwähnt, kam im Jahre 1600 Johannes Kepler, ein deutscher Mathematiker und Astronom, nach Prag und wurde Tychos Assistent. Nach dem Tod seines Lehrers gab er auf Basis seiner Notizen das Werk Astronomia Nova heraus, welches die ersten zwei von Keplers Gesetzen über die Bewegung der Planeten um die Sonne enthielt. An Keplers Pragaufenthalt erinnerte eine kleinere Ausstellung in der Gegend vor dem Eingang zum Dach des Nationalen Technischen Museums. Die Ausstellung folgt thematisch der Einzelausstellung "Astronomie".

Nach der Wetterzeit

Die Notwendigkeit, die Zeit und die Bahnen der Planeten zu messen, holte bald der Drang, das Wetter zu erfassen, ein. Das war Wasser in den Mühlen der Jesuiten, die in Prag löblich im Bereich der Wissenschaft und Bildung tätig waren. In ihrem Studentenwohnheim im Klementinum wurde im Jahre 1775 mit regelmäßigen klimatologischen Messungen der Temperatur, des atmosphärischen Drucks sowie des Niederschlags von Regen und Schnee begonnen und diese Berechnungen und Statistiken finden dort bis heute statt. Das Interesse an der jesuitischen meteorologischen Arbeit stieg vor allem in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Wissenschaftler auf der ganzen Welt begannen, den Klimaschwankungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Für die moderne Wissenschaft repräsentierten auch 200 Jahre alte Notizen eine wirklich einzigartige und besonders wertvolle Informationsquelle. Den Jesuiten kann man in dieser Hinsicht ihre Fortschrittlichkeit wirklich nicht absprechen, zum Beispiel die Messung von Lufttemperatur und -druck fand von Anfang an zweimal täglich, immer morgens bei Sonnenaufgang (im Sommer zwei Stunden nach Sonnenaufgang) und nachmittags gegen 15 Uhr statt.

Besichtigungen des Klementinums finden täglich (auch am Wochenende und an Feiertagen) ab 10 Uhr statt, sie beginnen alle 30 Minuten und finden ausschließlich mit Reiseführer für maximal 20 Personen statt. Im Verlauf von 50 Minuten besuchen Sie den Meridiansaal (früher zur genauen Bestimmung der Mittagszeit verwendet), den barocken Büchersaal mit einer Reihe von geografischen und astronomischen Globen und natürlich auch den Astronomischen Turm, der die Dominante des Areals ist. Ein Unikat des barocken Komplexes ist die Spiegelkapelle, die im Rahmen der Besichtigung ebenfalls besucht werden kann. Diese Möglichkeit kann jedoch nicht im Voraus garantiert werden, da in dem prunkvollen Raum oft kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen stattfinden. 

Einsteins Prag

Unsere Hauptstadt erinnert auch gerne an Albert Einstein, der zwar angeblich Formalitäten hasste, der Wissenschaft aber eine Menge Definitionen über das Wesen und die Beziehung von Zeit und Raum hinterließ. Und die Beziehung des weltweit anerkannten Wissenschaftlers zu Prag? Die Literatur über sein Privatleben verweist auf verschiedenste Anmerkungen voll Bewunderung: „Die Stadt Prag ist übrigens wunderbar, so schön, dass sie bereits für sich alleine eine längere Reise wert ist.“ Dem gegenüberstehend geben andere Quellen an, dass er das Prager Umfeld (vor allem die Luft) relativ kritisch sah. In Prag keine Gedenktafel des Menschen zu haben, dessen E=mc² jedes Schulkind kennt, wäre allerdings heuchlerisch. Eine der Mahnplaketten hängt an der Wand des Hauses U Jednorožce am Altstädter Ring, wo Einstein im Salon von Berta Fantová auf der Geige spielte und sich mit Max Brod und Franz Kafka traf (in den Jahren 1911–1912). Die Zweite können Sie in Smíchov in der Lesnická Straße sehen, wo Einstein während seines Aufenthalts in Prag wohnte, und die Dritte ziert das Gebäude der Naturwissenschaftlichen Fakultät, wo er Physik vortrug.

                              

Verkehrte Zeit oder die jüdische Spiegelung

In der Prager Judenstadt wiederum stellen Sie fest, dass auch allgemein erlebte Selbstverständlichkeiten eine ungewöhnliche Analogie haben können. Am Turm des Jüdischen Rathauses (eines der ältesten in Europa, das noch immer für religiöse Zeremonien verwendet wird) befindet sich die angeblich älteste hebräische Uhr an einem öffentlichen Ort. Das ist schon für sich bedeutsam, aber was die Abweichung vom Normalen angeht hat es auch eine solche Vorrangstellung noch weit. Eine kleine Überraschung ist auch, dass das Ziffernblatt statt Zahlen hebräische Buchstaben hat. Etwas größeres Erstaunen verursacht allerdings die Feststellung, dass die Ziffern spiegelverkehrt sind, was in der Praxis bedeutet, dass dort, wo auf gewöhnlichen Uhren die Drei ist, auf dieser jüdischen die Neun ist. Dann kommen Sie schon darauf, dass die jüdischen Zeiger sich gegen den Uhrzeigersinn drehen müssen, also nach links. Nach einiger Überlegung, wie Sie jetzt also die Zeit ablesen können, verstehen Sie, dass der große Zeiger bei dieser Uhr der Kleine ist, und der kleine Zeiger der Große. Wie wir Sie bereits am Anfang gewarnt haben, mit der Zeit wird das in Prag immer verzwickt sein…

                                   

Aus dem Weltall nach Stromovka

Die moderne Astronomie in Prag – das sind vor allem Sternwarten (Štefánik Sternwarte am Petřín und die Sternwarte Ďáblice) und das beliebte Planetarium im heutigen Stromovka. Am eindrucksvollsten ist sein Projektionssaal mit der sphärischen Decke (Kuppel), die einem fiktiven Himmelsgewölbe ähnelt. Auf diese Decke werden kosmische Objekte und ihre Bewegung in Raum und Zeit projiziert; präsentiert werden hier verschiedenste Aufnahmen, Videos und Animationen. Die Zuseher nehmen wie im Theater oder Kino in bequemen Sitzen Platz und verfolgen die perfekte Illusion des Tages- oder Nachthimmels auf der Kuppel über sich, die mit einem Durchmesser von 23,5 Metern zu den größten der Welt gehört. Das hervorragende technische System des Planetariums ist ohne Übertreibung ein wirkliches „Sternentor“ in die Weiten des Weltalls.

Autor: Jan Pomykal, Prague City Tourism; Hana Čermáková, C.O.T. media