Breadcrump- bzw. Brotkrümel-Navigation

„Das andere“ Karlín...

Das Hochwasser im Jahr 2002 zerstörte und beschädigte Dutzende von Häusern des Prager Stadtteils Karlín. Wer jedoch die Designausstellung 2011 im gerade fertiggestellten Gebäude des Futurama Business Park besuchte, kam nicht aus dem Staunen heraus. Er durfte nämlich das neue, bebende Karlín entdecken. Das zerstörende hundertjährige Hochwasser kam dem Bezirk „zu Gute“ – denn diesem folgte eine Radikalveränderung des bis dahin eher schmuddeligen Bezirks. Nun entstand an dieser Stelle ein neuer, hipper und frequentierter Stadtteil.

  • Negrelli-Viadukt
  • Kirche St. Cyrill und Method
  • Musiktheater in Karlín
  • Forum Karlín

            Der Prager Vorort, welchen Ferdinand I. nach seiner Frau - Karoline Auguste von Bayern - benannte, wurde im Jahr 1817 gegründet. Auf den sogenannten „Špitálská pole“ (Spitalfeldern) herrschte ein reges urbanes Treiben. Der Stadtteil Karlín entstand in regelmäßigen Blöcken, mit einem großen Platz in der Mitte. Er ist eingebettet zwischen den Stadtteilen Žižkov und Libeň, und galt bis zum Jahr 1922 als eigenständig. Die Geschichte des - heute achten - Stadtbezirks ist sowohl flächenmäßig als auch charakterlich wahrlich weitflächig. Seine Grenzen wurden erst im Jahr 1960 festgelegt (heute zählen hierzu ebenfalls die Stadtteile Libeň, Bohnice, Troja und Kobylisy). Wir möchten uns heute jedoch nur Karlín widmen...

Der Zinshausbau erfolgte, vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, rasterartig. Neben Wohnhäusern war der Bezirk mit einigen Manufakturen und kleinen Fabriken versehen, was ihm den Stempel der industriellen Vorstadt verpasste. Eine von Pferden betriebene Straßenbahn verkehrte hier bereits ab dem Jahr 1875. Ein wenig später folgte dann auch der Triumph des Erfinders František Křižík, des Prager Edisons, – die elektrische Straßenbahn. Heute tragen zu seinen Ehren eine der Bezirksstraßen, sowie eine U-bahnstation seinen Namen.

            Auch das Barock hinterließ seine Spuren. In Karlín können Sie es anhand der großartigen Invalidovna (Invalidenanstalt), eines atemberaubenden Palais von Kilián I. Dientzenhofer bewundern. Ehemals diente dieser Platz dem Heer als Sportplatz. An diese Zeit erinnern auch etliche Hausverzierungen, welche das Leben der Soldaten und Invaliden abbilden. Das Gebäude der Invalidovna entstand als Unterkunftsmöglichkeit für Kriegsveteranen, später diente es als Archiv. Sie können die Invalidovna in unzähligen Filmen erspähen – zum Beispiel bei Amadeus oder Doktor Schiwago. Die Zukunft des langsam verkommenden Gebäudes ist jedoch ungewiss.

            Zu Zeiten seiner Entstehung (1850) galt der Negrelliho železniční viadukt (Der Negrelli-Viadukt) als zeitlos. Nach der Karlsbrücke ist der Negrelli-Viadukt das zweitälteste Brückenbauwerk Prags. Die Brücke dient weiterhin als Teil der Bahnstrecke und ihre 49 Bögen warten nun auf eine umfangreiche Renovierung. Auch über Ihre Zukunft wird heiß diskutiert. Aller Voraussicht nach sollen die Viaduktbögen in Zukunft diverse Geschäfte, Bars und Cafés beherbergen.

               Zum Anlass der Jahrtausendfeier (1863) der Ankunft von Kyrill und Method, den Slawenaposteln, wurde die neuromanische kostel sv. Cyrila a Metoděje (Kirche St. Cyrill und Method) feierlich eingeweiht. Diese zählt zu den größten Kirchengebäuden Tschechiens, an dessen Bau und Verzierung sich unzählige tschechische Künstler beteiligt haben (u.a. Ženíšek, Mánes, Levý, Kafka). Die bereits von Weiten sichtbaren Türme sind ein hervorragender Orientierungspunkt.

               Unweit des Busbahnhofs Florenc ist bereits seit 1881 das Hudební divadlo v Karlíně (Musiktheater in Karlín) angesiedelt. Das Gebäude im pseudobarocken Stil beherbergte ursprünglich einen Zirkus und wurde später für Varieté-Vorstellungen umgebaut. Heute zählt das Musiktheater zu den größten Bühnen der Hauptstadt, in dem bis zu tausend Zuschauer Platz haben! Während des verheerenden Hochwassers (im September 2002) musste der Betrieb unterbrochen werden. Zurück ins Leben fand die Bühne erst vier Jahre später.

           Eine der wichtigen Straßen, welche durch die Bezirksteile Florenc, Libeň und Vysočany verläuft, ist die Straße Sokolovská. Anfang des vergangenen Jahrhunderts trug sie noch den Namen Královská třída (das Königsboulevard). Das Palais Atlas, welches eine Bank und ein Kino beherbergt, mit der Hausnummer 1 ist ein großartiges Beispiel des Funktionalismus (1939 - 1942). Auch dieses Gebäude zeugt von der Modernisierung der Peripherie im Laufe der Jahrzehnte.          

               Karlín ist für viele, dank seiner günstigen Lage nahe des Stadtzentrums, besonders reizvoll. Vor allem das Gebiet um den Fluss Vltava (Moldau) ist ein attraktiver Baugrund für moderne Residenzhäuser und Bürogebäude. Der namhafte Multifunktionsraum Forum mit Kapazität von 3000 Plätzen rückte den Stadtteil ins Rampenlicht des Gesellschafts- und Kulturgeschehens der Stadt. Die ehemalige Fabrik wurde im Jahr 2014 umfunktioniert und feiert nun große Erfolge.                                                                               

Tipps zur Stärkung:

Mlsná kavka (Naschende Dohle)
Sokolovská 29
Fantasievolle vegetarische Küche, tschechische Qualitätsweine, sowie Fair Trade Tee und Kaffee

Polévkárna paní Mančo (Fr. Mančos Suppenküche)
Křižíkova 11, Praha 8
Ein sehr beliebtes Restaurant der Landsfrau von Tbilisi, die ihrer Familie zuliebe in Tschechien Fuß fasste. Im Angebot stehen köstliche grusinische Gerichte.

Chop's - bistro
Sokolovská 79
Gesundes Essen, hervorragende Salate, bei denen die Kunden selbst „mitmischen“ können

Theatro (Im Gebäude des Hudební divadlo v Karlíně)
Křižíkova 8
Café & Restaurant – In der Vorstellungspause oder einfach so...

 

Michaela Zindelová

Publizistin, Autorin und Co-Autorin von zwanzig Büchern zum Thema Kultur und Lebensstil. Sie interessiert sich für Mode, sie besitzt eine ansehliche Sammlung an Broschen und sie liebt gemusterte Kniestrümpfe, schöne Schuhe und Handtaschen.